Verena Jorda, Tobias Ehrhardt, Sabine Schreiber und Bettina Schell

Selektiver Mutismus

Als Mutismus (lat.mutus=stumm) wird die Sprechhemmung oder das Schweigen nach vollzogener Sprachentwicklung bei vorliegender Sprach- und Sprechfähigkeit bezeichnet.

In der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) wird der selektive Mutismus unter den so genannten Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend gefasst. Damit wird betont, dass betroffene Kinder vor allem in ihrem sozialen Verhaltensweisen beeinträchtigt sind und sie nicht altersentsprechend am sozialen Leben ihrer Umwelt teilnehmen können.

Das Schweigen steht zwar als Hauptsymptom im Vordergrund, begleitende Problematiken sind jedoch zu erwarten.


Symptomatik:

Kinder sprechen meistens im näheren Familienkreis. Häufig ist schon eine Kontaktaufnahme mit den Großeltern schwer.
Kinder sprechen nicht mit Fremden und nicht mit Vertrauten vor Fremden.
Kommunikationsstörung betrifft oftmals das gesamte Ausdrucksverhalten: starre Körperhaltung und Mimik; Körper abgewandt vom Gesprächspartner; Blick ist gesenkt; Lachen, Weinen, Husten tonlos; passive Beteiligung am Gruppengeschehen
Kein Kind schweigt, weil es dies will! Schweigen ist nicht ein Ausdruck von Trotz oder Protest, auch wenn dies in einigen Fällen so wirkt.  Kinder haben grundsätzlich den Wunsch, mit allen sprechen zu können. Sie leiden unter ihrem Schweigen und sind bei Nichtbehandlung langfristig beeinträchtigt.


Ursachen:

Es kann nicht von der einen Ursache ausgegangen werden sondern es wirken verschiedene Faktoren zusammen, die gemeinsam schließlich zum Mutismus führen.

Grundlegende Risiken für die Ausbildung des Schweigens werden vererbt. Studien zeigen, dass gehäuft auch andere Familienmitglieder von extremer Schüchternheit oder sozialen Ängsten betroffen sind oder waren.

Familiäres Lernumfeld: in Familien betroffener Kinder lassen sich häufig eine allgemeine Zurückhaltung, deutliche Unsicherheiten im Gespräch mit anderen sowie Sprechscheu beobachten. Auch leben einige sozial isoliert und mit reduzierten Außenkontakten.  Kinder nehmen so die Welt außerhalb des häuslichen Umfelds als fremd und bedrohlich wahr.

Kinder mit Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeit haben ein höheres Risiko zur Ausprägung eines selektiven Mutismus.

Sprachauffällige Kinder, vor allem im Bereich der Produktion. Spricht ein Kind unverständlich, erlebt es häufig Misserfolge in sozialen Interaktionen-es wird nicht verstanden. Bei schüchternen und unsicheren Kindern kann dies dazu führen, dass sie die Motivation und den Mut zum Sprechen verlieren. In der Folge nutzen die Kinder soziale Situationen seltener bis gar nicht zum Üben sprachlicher Fähigkeiten, so dass die sprachliche Entwicklung zurückbleibt.

Einschneidende Lebensereignisse: nur in wenigen Fällen können traumatische Ereignisse (Gewalterfahrung, schwere Unfälle) als Auslöser ausgemacht werden. Häufiger sind es Umzüge, Schulwechsel, Scheidungen oder lange Krankenhausaufenthalte.


www.selektiver-mutismus.de


www.spa.tu-dortmut.de